April 2021 - Anmerkungen zu gebrauchten Belichtungsmessern:
Belichtungsmesser sind Präzisionsinstrumente mit einem entsprechend hohen Preis. Was liegt näher als zu sparen und sich einen gebrauchten Belichtungsmesser anzuschaffen. Für die paar Gelegenheiten, wo man so ein Gerät wirklich braucht, wird wohl auch ein Gebrauchtgerät reichen. Das stimmt grundsätzlich, aber ich habe in den letzten Jahren einige Erkenntnisse gewonnen, die den Kauf eines gebrauchten Belichtungsmessers als gar nicht mehr so preiswert erscheinen lassen. Die Genauigkeit eines Belichtungsmessers hängt von der Messzelle ab. Die besteht aus Selen, einem Cadmiumsulfid-Widerstand oder einer Silizium-Fotozelle und alle lichtempfindlichen Sensoren unterliegen einem Alterungsprozess. So kann bei einem Belichtungsmesser das Gebrauchtgerät sehr schnell zu einem "Verbrauchtgerät" werden.
Selen-Zellen: gehören zur ältesten Technologie, sind meist über ein halbes Jahrhundert alt und bringen bis auf ganz seltene Ausnahmen keine exakten Ergebnisse zustande. Wenn die Messwerke nicht ohnehin komplett funktionslos sind, liegen die Messergebnisse von Selen-Zellen weit abseits dessen, was ein neuer und richtig kalibrierter Belichtungsmesser anzeigt. Ich traue mir die Aussage zu, dass Selen-Zellen für fotografische Zwecke mittlerweile hart an der Grenze des Brauchbaren sind. Belichtungsmesser mit dieser Technologie sind fast ausnahmslos Sammlerstücke, bei denen man sich freuen kann, wenn der Zeiger noch ausschlägt und irgendetwas anzeigt. Sparen Sie sich einen Weston Master zu kaufen. Auch wenn er noch so hübsch ist und sich in einwandfreiem Zustand befindet, werden die Ergebisse nicht einmal Negativfilm richtig belichten helfen. Diese Aussage erweitere ich übrigens auf alle Belichtungsmesser aller Hersteller mit Selen-Zelle.
Cadmiumsulfid-Fotowiderstand: Ab etwa Mitte der 1960er-Jahre wurde diese Technologie flächendeckend eingesetzt. Viele Spiegelreflexkameras aus dieser Zeit besitzen CdS-Fotowiderstände als Messzellen. Der millionenfach hergestellte Gossen Sixtar ist ebenfalls ein Beispiel für einen CdS-Belichtungsmesser. Diese Messsysteme brauchen eine Batterie zur Stromversorgung. Das kann schon die erste Hürde für eine ausreichende Messgenauigkeit sein, Stichwort 1,35-Volt-Knopfzelle. Schlimmer ist aber, dass CdS-Fotowiderstände ein Ablaufdatum haben und langsam degenerieren, egal ob sie benutzt werden oder im finsteren Schrank liegen. Ich habe festgestellt, dass nach etwa vierzig Jahren keiner meiner CdS-Belichtungsmesser ausreichend genau anzeigt. Die CdS-Widerstände werden träger und brauchen eine ganze Weile, bis sich die Messnadel auf einen Wert festgelegt hat. Bedingt durch ihre physikalischen Eigenschaften ist die Ungenauigkeit bei wenig Licht größer als bei hellem Sonnenschein. Die Ungenauigkeiten treten auch nicht über den gesamten Helligkeitbereich linerar und gleichmäßig auf. Mein Gossen Sixtar misst bei Raumbeleuchtung mit etwa vier Blenden Abweichung, bei hellem Sonnenschein nur mit zwei Blenden Abweichung, wobei auch die farbliche Zusammensetzung des Lichts die Ergebnisse beeinträchtigt. Von der Alterung ist jede CdS-Zelle betroffen, auch wenn vielfach etwas anderes behauptet wird. Es sind übrigens auch die Kamerabelichtungsmesser in den tollen Canons, Nikons oder Pentax vom Verfall der CdS-Zellen betroffen. Bei einer Nikon F2 oder einer Nikkormat FT3 lohnt sich der Tausch noch, vor allem weil man noch Chancen hat neue und passende CdS-Zellen aufzutreiben. Ein Gossen Sixtar oder ähnlicher Belichtungsmesser gehört aber in die Vitrine und nicht mehr in eine Fototasche.
Silizium-Fotodiode: Die modernste Messzelle in Belichtungsmessern ist die Silicon Blue Cell (Sbc). Die Sbc besitzt eine spektrale Empfindlichkeit, die ziemlich genau jener des menschlichen Auges entspricht und hat Selen und CdS komplett verdrängt. Alle aktuell angebotenen Belichtungsmesser besitzen eine Sbc, sogar der batterielose Sekonic L-398A ist mit einem "amorphen Fotosensor" in Siliziumtechnik bestückt. Die Genauigkeit der Messergebnisse braucht man bei einem Neugerät nicht zu hinterfragen. Was die Langzeitstabilität betrifft, so kann ich mich nur auf einen Gossen Mastersix aus den 1980ern beziehen, bei dem es (noch) keine Alterungserscheinungen gibt. Mit einer generellen Differenz von 1/2 Blende zu meinen Minolta- und Sekonic-Belichtungsmessern liefert der Mastersix einwandfreie Ergebnisse. Schließt man vom etwa 35 Jahre alten Mastersix auf alle anderen Belichtungsmesser mit Silizium-Fotodiode, ist klar, was man gebraucht kaufen kann.
Meine Empfehlung lautet auch bei knappem Budget die Finger von einem gebrauchten Schätzeisen zu lassen und einen neuen Belichtungsmesser zu kaufen. Der Sekonic L-208 ist eine gute Entscheidung, weil er mit 100 Euro Kaufpreis das beste Preis-Leistungsverhältnis bei einem Belichtungsmesser für Dauerlicht bietet. Dann folgt der Sekonic L-398A, der zwar mehr kostet, dafür aber auch mehr kann und natürlich auch professioneller aussieht. Für Blitzbelichtungsmessung ist der Sekonic L-308X-U ein preiswertes Gerät mit allen notwendigen Funktionen.
Mai 2008 / überarbeitet Jänner 2009
und April 2021