Praktica B-Serie und Prakticar 1:1,8/50mm
Im Lauf des Jahres 2017 hat sich der Zugriff auf jene Seiten von troeszter.net vervielfacht, welche sich mit analoger Fotografie beschäftigen. Es hat auch einige Anfragen zu analogen Fotogeräten gegeben und immer wieder Anregungen, ein wenig mehr Inhalte diesem Thema zu widmen. Persönlich bevorzuge ich bei Analogfotografie Ausrüstung von Nikon und Canon, diese Seite beschäftigt sich aber mit einem etwas exotischeren Equipment, nämlich der letzten Spiegelreflexgeneration von Praktica.

Statussymbole sind die Kameras aus der ehemaligen DDR eher weniger, früher galten sie aber als robuste Arbeitspferde für preisbewusste Fotografen. Sieht man von einigen gesuchten Objektiven einmal ab, ist Praktica-Ausrüstung noch mit überschaubarem Budget zu erwerben. Wer weiß, wie lange das noch so bleibt.

Bei Praktica gibt es zwei Kameralinien. Bis etwa Anfang der 1980er-Jahre hatten die Spiegelreflexmodelle ein M42-Schraubgewinde für das Objektiv, später dann eine eigene Objektivfassung, welche als Praktica PB-Bajonett bezeichnet wurde. Obwohl es M42-Prakticas samt Objektiv schon ab 20 Euro gibt, bevorzuge ich Kameras mit dem PB-Bajonett. Der Grund dafür ist eine bequemere Handhabung und die moderneren Kameramodelle. Meine "Sammlung" besteht aus dem ersten und letzten Modell der Praktica B-Serie. Eine relativ seltene Praktica B200 in der silbernen Exportversion habe ich einmal für 35 Euro samt Objektiv und Versandkosten ergattert. Die Praktica BX20s war etwas teurer und hat 40 Euro gekostet.
Februar 2018




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Die neuwertige B200 war zwar funktionsfähig, litt aber unter einem wackelnden Blitzschuh und das 50mm/1,8-Objektiv unter gelockerten Schrauben im Bereich des Objektivbajonetts. Der Blitzschuh ist ein bekanntes Phänomen und leicht zu beseitigen, das Objektiv musste teilzerlegt und die Schrauben festgezogen werden. Die Praktica BX20s war in einem guten gebrauchten Zustand ohne Mängel. Lediglich die aus billigem Kunststoff gefertigten Gehäuseschalen sind abgegriffen und glänzen speckig, was der Funktion aber keinen Abbruch tut. Nur ca. 33.400 Stück Praktica BX20s wurden gefertigt, dementsprechend wird dieses Modell nicht so oft angeboten und ein abgegriffenes Gehäuse ist akzeptabel. Das Modell BX20s ist eine modernisierte BX20 und diese wiederum eine (verbesserte) B200-Nachfolgerin. Konstruiert in der DDR wurde die BX20s in größeren Mengen erst nach 1990 "Made in Germany" hergestellt.

Beide Kameras waren zu ihrer Zeit modern mit einer durchdachten und problemlosen Bedienung, die auch analoge Einsteiger vor keine großen Hürden stellen wird. Eine mittenbetonte Belichtungsmessung, elektronisch gebildete Verschlusszeiten, Zeitautomatik nach Blendenvorwahl oder manuelle Einstellung gehören zur Ausstattung. Was gefällt sind die kompakten Abmessungen beider Kameramodelle. Mit dem 50mm-Objektiv passen sie in eine kleine Kameratasche. B-Serien Prakticas stehen bei Fans der Marke nicht hoch im Kurs. Moniert wird das bereits angesprochene Plastikgehäuse, obwohl auch bei MTL5 und anderen M42-Spiegelreflexgehäusen verchromter Kunststoff Verwendung fand, und die labberig wirkende Mechanik. Sowohl meine Praktica B200 als auch die BX20s sind in dieser Disziplin wenig elegant. Wer die geschmeidige Mechanik einer wesentlich älteren Nikkormat EL oder einer etwa gleichaltrigen Canon AE-1 kennt, wird die B-Prakticas wenig schätzen. Der Filmtransport ist ruppig und rau, wirkt wenig exakt und man fühlt sich zu vorsichtiger Bedienung genötigt, weil man fürchtet, es könnte sonst die Mechanik blockieren. Nichts für Grobmotoriker, die Mechaniken meiner beiden B-Prakticas gehören gefühlvoll bedient. Dabei ist die Praktica B200 mechanisch besser als die BX20s. Die Bildabstände sind bei der B200 ziemlich exakt gleich, während bei der jüngeren BX20s kein Abstand dem anderen gleicht, aber glücklicherweise nie Negative überlappen. Ob das an eingetrockneter Schmierung in der Mechanik oder an unterschiedlichen Toleranzen bei der Fertigung liegt, ist für mich nicht feststellbar. Auch darf nicht vergessen werden, dass beide Gehäuse älter als 25 Jahre sind und nie gewartet wurden. Vielleicht würde sich die rupfende Mechanik nach einer Generalüberholung bessern.

Die Elektronik der Praktica B200 stammt vom japanischen Hersteller NEC, die der BX20s aus Praktica-Eigenproduktion. Beide Kameras haben nach wie vor eine für Negativfilm exakte Belichtungsmessung und die elektronisch gebildeten Verschlusszeiten sind für meine Begriffe noch immer in Ordnung. Die Sucheranzeigen flackern nicht und die Elektronik ist frisch und munter wie am ersten Tag. Beide Kameras werden mit einer 4SR44-Batterie (6 Volt) mit Strom versorgt, auf einem der Bilder sieht man meinen DIY-Batterieadapter für vier Stück SR44-Batterien, die genauso gut funktionieren. Eine preiswerte und einfache Stromversorgung ohne Spezialbatterien, die für Freude sorgt.
Praktica B200 Silber mit Pentacon Prakticar 1:1,8/50mm - Made in GDR
Die noch älteren Praktica M42-Kameras gibt es samt Objektiv ab 20 Euro, für die B-Serie-Modelle wird etwas mehr verlangt.
Praktica B200 Batterien
Praktica B200
Praktica BX20s
Praktica BX20smit Pentacon Prakticar 1:1,8/50mm - bereits Made in Germany
Inserat Praktica TL3
Beide Prakticas brauchen eine 6-Volt-Batterie vom Typ 4SR44. Wenn man 4 Stück Batterien mit Klebeband zu einer Rolle formt und den verbleibenden Platz am Plus-Pol mit ausreichend Alufolie ausfüllt, hat man einen kostengünstigen Batterieadapter. Ein wahres Highend-Produkt.
Der Sucher ist eine angenehme Sache weil relativ hell, mit genau jener Anzahl an Informationen, die man braucht und sogar bedingt für Brillenträger geeignet. Die Verschlusszeit wird mittels Leuchtdioden angezeigt, die Blende wird über ein Fenster im Sucherprisma eingespiegelt. Eine helle Mattscheibe mit schräg angeordnetem Schnittbildkeil und Mikroprismenring ermöglicht, dass man rasch und genau scharfstellen kann.

Jetzt zu den optischen Qualitäten. Bei meinen Kameragehäusen war jeweils ein Pentacon Prakticar 1:1,8 50mm Standardobjektiv dabei. Ein in großen Stückzahlen produziertes Objektiv, welches für mich besser als sein Ruf ist. Beide Objektive stammen aus der letzten sogenannten Ratio-Baureihe, wobei das die Abkürzung für Rationalisierung ist und haben geringfügige Staubeinschlüsse, wie sie bei älteren Optiken normal sind. Das Objektiv der B200 hat zudem einen Fehler in der Vergütung der letzten Linse. Die Verarbeitungsqualität ist bei beiden Objektiven gut, alle Gravuren sind sauber ausgeführt und noch gut lesbar. Die Blendenlamellen sind bei beiden Objektiven sauber nur der Schneckengang für die Scharfeinstellung ist am Objektiv der B200 schwergängiger als bei jenem der BX20s, was auf leicht verklebte Schmierung schließen lässt. Beim zweiten Objektiv hat die Scharfeinstellung geringfügiges Spiel. Insgesamt bin ich beiden Objektiven was die mechanische Seite betrifft zufrieden.

Ich habe einen direkten Vergleich zu einem Fujinon XC 16-50mm, einem Nikkor 1:1,4/50mm und einem Micro-Nikkor P 1:3,5/55mm an einer digitalen Fujifilm X-E1 vorgenommen: Gleiches Gehäuse, gleicher Standpunkt und gleiche Aufnahmebedingungen für alle Objektive im improvisierten Test, dessen Ergebnisse auf der nächsten Seite angesehen werden können. Bei offener Blende ist die Abbildungsleistung des 1:1,8/50mm-Prakticars durchschnittlich und brauchbar. Ab Blende 4,0 sind die beiden Praktica-Objektive dann so scharf und kontrastreich, wie man sich das von einem guten 50er-Normalobjektiv wünscht. Eine Bildfeldwölbung oder Vignettierung bzw. ein Schärfeabfall zu den Bildrändern sind ab Blende 4,0 nicht bemerkbar.  Nimmt man einen starken Ausschnitt aus dem Bild, dann sind die beiden Praktica-Objektive etwas weniger scharf und etwas weniger kontrastreich. Das Fujinon XC 16-50mm, übrigens ein preiswert-Objektiv von Fujifilm, liegt gleichauf mit den beiden Nikon-Objektiven und vor den beiden Prakticar-50mm-Optiken. Große Unterschiede sind das nicht und nur beim Pixelzählen am großen Monitor kann man Unterschiede erkennen. Beim Negativfilm ist die optische Leistung der Praktica-Objektive in Ordnung. Ich habe mit meinen beiden Prakticas je fünf Rollen Film verschossen und völlig einwandfreie Ergebnisse bekommen. Jedes der Negative war schön scharf und richtig belichtet, wie es sein soll und wie ich es auch von meinen anderen analogen Kameras gewohnt bin. Nachdem das 50mm-Objektiv entweder beim Gehäuse dabei ist oder günstig einzeln gekauft werden kann, würde ich es als erstes Objektiv zu einer B-Praktica durchaus empfehlen.

KF Objektivadapter
Pentacon Prakticar 50mm
Das Pentacon Prakticar 1:18/50mm MC in der vereinfachten Ratio-Ausführung wurde in großen Stückzahlen hergestellt und ist wahrscheinlich jenes Objektiv, welches bei einer Kamera dabei ist.
Zu vernünftigen Preisen bekommt man neben dem 50mm-Normalobjektiv das 135mm-Teleobjektiv mit Lichtstärke 3,5 bzw. 2,8 und das 28mm-Weitwinkelobjektiv mit Anfangslichtstärke 2,8. Das 28er und das 135er Objektiv wurden, wie auch das 50mm/1,8 in großen Stückzahlen gebaut und sind preiswert zu bekommen. Für ein 28mm/2,8 in gutem Zustand zahlt man aktuell ab etwa 30 Euro, für das 135mm/3,5 in gutem Zustand ab etwa 35 Euro aufwärts. Für eine Ausrüstung mit allen drei Objektiven sollte man realistisch einen finanziellen Aufwand von 120 bis 150 Euro einkalkulieren.

Alle anderen originalen Praktica-PB-Festbrennweiten kosten richtig viel Geld, so wird zum Beispiel ein Carl Zeiss Jena Prakticar 1:2,4/35mm ab 120 Euro aufwärts gehandelt. Ein Carl Zeiss Jena Prakticar 1:2,8/20mm ist kaum unter 300 Euro zu haben und wer ein Carl Zeiss Jena Prakticar 1:1,8/80mm erwerben will, wird sich von 400 und mehr Euro trennen müssen. Meiner Meinung nach sind das Sammlerpreise, die im Vergleich zu Canon, Nikon, Minolta oder anderen Qualitätsherstellern eindeutig zu hoch sind. Bedingt durch die Möglichkeit alte Objektive mittels Adapter an manchen aktuellen digitalen Systemkameras verwenden zu können sind Preise für "Altglas" momentan bei fast allen Marken schwer inflationär und steigen stetig. Vor allem wenn auf einem Objektiv Carl Zeiss eingraviert ist, werden laut Aussagen von Verkäufern die Bilder um eine Klasse besser. Ob dem wirklich so ist sei dahingestellt und ob man so viel Geld für Objektiv-Exoten ausgeben will, ist eine persönliche Angelegenheit. Ich meine, dass man mit 28mm, 50mm und 135mm Brennweite auskommt und die sind beim Praktica PB-Bajonett (noch) preiswert.

Zur Praktica B-Serie hat es auch einige Zoomobjektive gegeben, von denen aber nur zwei Modelle in der DDR hergestellt wurden. Ein 2,7-3,5/35-70mm Weitwinkel-Zoom und ein 4,0/80-200mm Tele-Zoom. Beide Modelle sind selten, teuer und eher etwas für Sammler. Alle anderen Zoomobjektive stammen aus japanischer oder koreanischer Fertigung und entsprechen qualitativ dem Stand ihrer Zeit. Sie sind billig zu haben wobei man individuell testen muss, wie gut oder schlecht das angebotene Objektiv ist. In diesem Bereich kann man keine generellen Aussagen treffen, da ist die Streuung zu groß.




Fazit: Wenn man sich eine B-Praktica zulegt, sollte man unterscheiden, ob man Sammler oder Fotograf ist. Sammeln ist sowieso ein eigenes Thema, aber auch abseits der Sammlerszene ist die Marke Praktica immer einen Blick wert. Zwar fühlen sich die Produkte weniger wertig an als vergleichbares Altmaterial aus Japan, bedingt durch moderate Preise und einen exotischen Touch ist die Praktica B-Serie aber ein guter Tipp. Das mit dem Ruf als solides Arbeitstier stimmt jedenfalls, wenn ich mir meine beiden Kameras ansehe, und wer nicht unbedingt den Glamourfaktor braucht, ist mit den preiswerten Teilen der Praktica B-Serie gut bedient.
Auf der nächsten Seite gibt es den Vergleich zwischen 50mm-Objektiven von Praktica, Fujinon und Nikon. Dazu wurden alle Objektive mit Adaptern von K&F an eine Fujifilm -E1 montiert.