Rollei 35SE und 35TE
Pro und Kontra:


Pro
- kein Batterieproblem
- super kompakt
- sehr hohe Bildqualität
- robust und langlebig
- Service und Ersatzteile sind noch verfügbar

Kontra
- kein Messsucher
- mittlerweile sind gebrauchte Rollei 35 sehr teuer
Mit dem Erscheinen der Minox 35 im Jahr 1974 wurde es auch für Rollei erforderlich die an sich sehr erfolgreiche Rollei 35 technisch auf den damals aktuellen Stand zu bringen und zu verbessern. Dazu hat man sich ein bisschen Zeit gelassen und rechtzeitig vor Weihnachten im November 1979 zeitgleich die Rollei 35SE und 35TE ins Verkaufsprogramm aufgenommen. Die Rollei 35SE und die Rollei 35TE sind bis auf das Objektiv völlig idente Kameras und die letzte Entwicklungsstufe dieser Kamerareihe - danach sind nur mehr überteuerte Sondermodelle gekommen. Bei der Modellpflege wurden die Gehäuseabmessungen, die Wahlmöglichkeit zwischen einem Sonnar- und einem Tessar-Objektiv sowie die feinmechanische Präzision der Kamera beibehalten. Neu war eigentlich nur der Belichtungsmesser, der bequem im Sucher mittels dreier Leuchtdioden abgeglichen werden konnte. Vorbei waren die Zeiten, als man die Kamera vom Auge nehmen musste um Zeit und Blende anhand des Messwerkes auf der Oberseite der Kamera einzustellen.
Wie schon erwähnt wurde an der Technik der Rollei-35SE/TE-Modelle nicht viel geändert. Dort wo bei der 35S und 35T das Messwerk des Belichtungsmessers liegt, befindet sich bei der 35SE und 35TE die Batterie. Dabei handelt es sich um den Typ PX27, der um einiges größer als bei den älteren Modellen ausgefallen ist, weil die Elektronik und die Leuchtdioden mehr Strom als das einfache Zeigermesswerk brauchen. Erkennen kann man das ganz leicht am großen schwarzen Batteriekorb, der auf der Oberseite der Kamera eingesetzt wird. Der große Vorteil der neuen Batterie ist, dass die ursprüngliche Variante mit 5,6 Volt Spannung problemlos auf die heute verfügbare Batterieversion ohne Quecksilber aber mit 6,0 Volt Spannung ausgetauscht werden kann. Fehlbelichtungen treten nicht auf.

Das Batteriefach im Inneren der 35S/35T ist weggefallen und genau da hat man bei der 35SE/35TE die Elektronik für den Belichtungsmesser untergebracht. Eine marginale Änderung gibt es auch bei der Entriegelung für das Objektiv. Der Knopf ist von der Oberseite auf die Vorderseite der Kamera gewandert und meiner Meinung nach ein wenig zu klein ausgefallen.
Die Modelle 35SE und 35TE sind interessanterweise weniger gefragt als die älteren Baureihen. Ganz verstehen kann ich das nicht, denn die Qualität und Zuverlässigkeit sind bei Kameras vor und nach der Modellpflege gleich. Da schneiden meine beiden Rollei 35 ziemlich gut ab. Meine Rollei 35T habe ich gebraucht bekommen und besitze seit seit etwa 25 Jahren. Probleme hat es damit keine gegeben. Einmal war das Hemmwerk für die langen Verschlusszeiten zu reinigen und im Sommer 2019 wurde eine vorbeugende Revision mit Justierung des Belichtungsmessers auf die 1,5-Volt-Batterie vorgenommen. Meine ebenfalls gebraucht gekaufte Rollei 35SE besitze ich etwa 17 Jahre ebenfalls ohne Auffälligkeiten. Auch diese Kamera war im Sommer 2019 zur Reinigung des Hemmwerkes und für eine Revision in den Händen von Herrn Bruer in Braunschweig, der das zu meiner vollen Zufriedenheit erledigt hat.

Ich werde immer wieder zu den Unterschieden bei den Objektiven gefragt. Theoretisch müsste das Sonnar besser als das Tessar sein, in der Praxis sieht die Sache aber viel banaler aus. Im normalen Aufnahmebereich ab zwei Meter Entfernung sind Sonnar und Tessar gleich gut. In meinen beiden Rollei 35 kommen Farbnegativfilme mit 200 und 400 ISO zum Einsatz, weil ich damit ab und zu die Qualität eines Fujifilm FP-232B Filmprozessors bei der C-41-Entwicklung überprüfe. Da geht es um die Dichte von Negativen, um den Aufbau der orangefarbenen Maskierung des Film sowie einige andere Parameter und anschließend um die Verarbeitung dieser Negative in einem Fujifilm SP-3000 Negativscanner. Auf den Filmen befinden sich Testcharts und Aufnahmen unter realen Bedingungen, damit man einen möglichst guten Überblick über den Zustand der C-41-Chemie bekommt. Alle Negative aus meinen beiden Kameras sind immer dann messerscharf(!), wenn ich ordentlich scharf einstelle. Auch Abzüge im Format 13x18cm von einem Fujifilm Frontier 570 (mit einem fähigen Operator) sind immer gleich scharf und haben den gleichen Farb- und Kontrastumfang. Es kann eigentlich niemand erkennen, ob ein Bild aus der Rollei 35T oder der 35SE stammt. Und das ist gut so.

Ähnlich sieht die Sache bei Schwarzweiß-Film aus. Gelegentlich verschieße ich noch einen Schwarzweiß-Film, früher war das Fujifilm Acros 100, jetzt ist es der Kodak T-Max 400. Die Negative entwickle ich in meiner Jobo CPE-2. Auch da entsprechen die Ergebnisse dem Farbnegativfilm. Richtig scharfgestellt ist auch das Negativ messerscharf, richtig belichtet stimmen auch die Tonwerte und im Fujifilm SP-3000 gescannt bekomme ich mit dem Fujifilm Frontier 570 wunderbare 13x18 Prints. Ich bewege mich nicht in der Fineprint-Szene, dort mögen die gebetsmühlenartig wiederholten Unterschiede zwischen dem Tessar und dem Sonnar vielleicht zu sehen sein, und ich habe meinen gut gepflegten ehemals sündhaft teuren Durst Laborator L900 mit den Rodenstock-Objektiven schon seit Jahren nicht mehr in Betrieb gehabt, weil ich das Frontier 570 fast täglich in Reichweite habe und damit völlig zufrieden bin. Ob das Tessar mit seiner Einschichtvergütung einen Hauch kontrastreicher als das Sonnar mit der HFT-Mehrschichtvergütung ist, kann man unter realen Bedingungen nicht einmal erahnen. Möglich, dass man bei Vergrößerungen jenseits von 40x50cm geringste Unterschiede bei der Schärfe sieht, aber wer so große Formate braucht, sollte die Negative mit einer großen Kamera anfertigen. Es gibt dafür passende Gerätschaft. Wenn man in der Verarbeitungskette alles auf die Spitze treibt und versucht jegliche Toleranzen gegen Null zu bringen, wird man vielleicht Unterschiede erahnen können. Wichtig zu wissen ist, dass das Sonnar-Objektiv bei offener Blende 2,8 eine sehr exakte Entfernungseinstellung benötigt. Das Tessar-Objektiv mit Lichtstärke 3,5 ist etwas weniger heikel. Wahrscheinlich wird es die größten Unterschiede zwischen dem Tessar- und Sonnar-Objektiv bei offener Blende und kurzen Aufnahmeabständen in Verbindung mit großen Bildformaten geben. Zu Tests im Bereich 0,9 Meter bis 2 Meter konnte ich mich nicht durchringen, weil ich denke, dass die wenigsten Rollei 35 sehr oft für "Nahaufnahmen" eingesetzt werden. Für den durchschnittlichen Anwender sind die Unterschiede zwischen Sonnar und Tessar also fast vernachlässigbar. Viel wichtiger ist eine Rollei 35 in einem guten und gepflegten Zustand zu erhalten, denn damit kann man Fotografie auf hohem Niveau betreiben. Ich habe jedenfalls keinerlei Präferenz für eines der Rollei-35-Modelle.

Für alle, die noch keine Rollei 35 haben meine Kaufempfehlung: Eine Rollei 35, 35T, 35S, 35SE oder 35TE in möglichst gutem Zustand sollte es sein. Die Zeiten unterhalb von 1/8 Sekunde sollten noch exakt laufen und das Gehäuse möglichst frei von Dellen sein. Ob Sonnar oder Tessar, ob schwarzes oder helles Gehäuse ist dann alles nur mehr Geschmacksache.
Die Rollei 35SE bzw. 35TE war die letzte Weiterentwicklung der Rollei-35-Serie. Von der 35SE wurden etwa 150.000 Stück verkauft, die hier nicht gezeigte 35TE erreichte nur eine Stückzahl von 120.000 Kameras.
Auf der Oberseite fehlt das Fenster mit dem Zeiger für den Belichtungsmesser und der Knopf für die Objektiventriegelung. Dafür gibt es einen großen schwarzen Deckel für das Batteriefach, den manche Benutzer als hässlich empfinden.
Hightech des Jahres 1979: Ein Blick in den Sucher zeigt die Lichtwaage bestehend aus drei Leuchtdioden. Leuchtet die grüne LED, dann stimmt die Zeit-Blenden-Kombination. Leuchtet die obere rote LED bedeutet das Überbelichtung, leuchtet die untere rote LED signalisiert das Unterbelichtung. Kann die Elektronik keine Belichtung ermitteln, leuchten beide roten LEDs. So wie am Bild leuchten die LEDs allerdings nie, das Bild wurde mit Mehrfachbelichtung hergestellt.
Der silberne Schraubdeckel für die PX625-Batterie fehlt, denn hinter dem schwarzen Blech auf der rechten Kameraseite befindet sich die Elektronik vom Belichtungsmesser. Die Ausführung und Präzision wurde jedenfalls äusserlich beibehalten. Auch nach 30 Jahren funktionieren die Kameras noch immer.