Pentacon SF 1,8/50mm DIY-Portraitobjektiv

Ein Eigenbau-Portraitobjektiv auf Basis des Pentacon auto 1.8/50mm MC ergänzt seit kurzem meine Sammlung an notwendigen und nicht notwendigen Fotogeräten. Das Objektiv wurde mir überlassen, weil man eine Fotoausrüstung zu Geld machen wollte und das Objektiv wegen der blockierten Blende für defekt gehalten hat.

Bei der Praktica MTL5B habe ich dieses Objektiv breits kurz besprochen, hier noch einmal das Wichtigste:  Beim Pentacon auto 1.8/50mm MC handelt es sich um das DDR-Standard-Objektiv zu fast allen 35mm-Spiegelreflexkameras. Es wurde in Millionen Stückzahlen und, wenn ich richtig informiert bin, in einer Exakta-, vier Pentacon-M42- und einer Prakticar-Variante gebaut. Die älteste Version besteht aus viel Metall und kommt im sogenannten Zebra-Look daher. Danach folgte eine Variante ohne Zebra mit zwei Chromzierringen an der Objektivfront, die in der dritten Ausgabe dann auf einen einzigen Chromring reduziert wurde. Die vierte Variante und die Prakticar-Modelle für die Praktica-B-Serie waren dann aus viel Kunststoff, komplett schwarz ohne jedes Zebra und ohne jede Chromverzierung. Die Gläser waren ab der vierten Version dem technischen Stand der Zeit entsprechend mehrschichtvergütet. Konstruktivisch leitet sich das Pentacon 1.8/50mm vom Meyer Görlitz Oreston aus dem Jahr 1961 beziehungsweise vom Meyer Görlitz Domiron ab. Es handelt sich um einen Planar-Doppel-Gauß-Typ mit einem optischen System bestehend aus sechs Linsen in vier Gruppen. Das 1.8/50mm hat eine Besonderheit in Form einer Naheinstellgrenze von 33cm (1:4,8), welche schon fast als Makrobereich durchgehen kann. Der technische Aufbau wurde ab dem Meyer Domiron und dem Oreston bis zur Praktica-PB-Variante nur unwesentlich verändert. Dagegen ist nichts zu sagen, denn die optischen Leistungen sind grundsätzlich in Ordnung. Wer Details dazu wissen möchte, findet sie auf der Seite zur Praktica B-Serie.
Das Pentacon SF 1,8/50mm befindet sich in einem selten guten Zustand und geht als neuwertig durch. Da hat jemand bei der Restaurierung ganze Arbeit geleistet. Am M42-FX-Adapter sieht man links und rechts zwei Madenschrauben, welche in Verbinung mit einer dritten nicht sichtbaren Schraube die Anpassung des Objektivs an die Kamera ermöglichen. Damit kann man die verschiedenen Drehwinkel der Objektive ausgleichen und hat die orange Indexmarkierung immer oben, wo sie sein soll.
Das mir überlassene Objektiv ist meiner Ansicht nach nicht für allgemeine Fotografie zu gebrauchen, weil der Blendenring in Stellung 1.8 blockiert und der Umschalter für die Druckblende fest auf M eingestellt ist. Das ist bei diesem Objektiv kein Defekt, sondern so gewollt, denn wie ich bemerkt habe wurden die Blendenlamellen und die Blendenmechanik  ausgebaut. Dass dem Objektiv eine Überarbeitung spendiert wurde, zeigt der allgemein gute Zustand. Der Objektivtubus und das M42-Anschlußgewinde zeigen kaum Gebrauchsspuren. Alle Gravuren wurden sauber ausgelegt und deren Farben sind leuchtend frisch. Sogar die Schraubenköpfe sehen einwandfrei aus. Was noch ins Auge springt: Das Linsensystem ist innen völlig staubfrei und die Entfernungsverstellung läuft butterweich und so geschmeidig, wie man das sonst wahrscheinlich nicht einmal von einem neuen Objektiv gekannt hat. Als zusätzliche Modifikation ist das Filtergewinde von 49mm auf 52mm Durchmesser erweitert worden. Dabei wurde ein Adapterring dauerhaft mit dem Objektiv verbunden. Entweder ist er verklebt oder mit einem Spanner festgezogen. Er lässt sich nicht ohne Gewalt abschrauben, was darauf hindeutet, dass das 52mm Filtergewinde auf eine dauernde Nutzung ausgelegt wurde. Dieses Objektiv ist nicht verbastelt, denn wer sich daran zu schaffen gemacht hat, war ein Fachmann und hat sehr sauber gearbeitet. Der Umbau und die Revision sind handwerklich gut gemacht, denn das optische System ist noch perfekt zentriert. Sehr oft wurde und wird im Rahmen von Reparaturen bei dieser Objektivtype an den drei Stiftschrauben für die Linsenzentrierung gedreht, was eine schlechte Auflösung oder eine ungleich über die Bildfläche verteilte Schärfe zur Folge hat. Bei diesem Objektiv ist zum Glück noch alles in Ordnung. Ob das eine Auftragsarbeit gewesen ist und aus einer Kamerawerkstatt stammt oder ob der Vorbesitzer den Umbau in Eigenregie vorgenommen hat, bleibt ungewiß.
 
Unklar war mir zuerst auch der Verwendungszweck. Ein 50mm-Normalobjektiv ist für Portraits beim Format 24x36 eine eher kurze Brennweite. Und was fängt man mit einem Objektiv ohne regelbare Blende an? Zwei auffällige gelbe Aufkleber mit den Buchstaben SF deuten auf ein SoftFokus-Objektiv hin. Ein Blick in den mit dem Objektiv überreichten Stoffbeutel hat die letzten Fragen beantwortet. Zusätzlich zum Objektiv befanden sich noch ein White Mist-, zwei Black Mist-  und ein Konvolut an Cokin-Kunststoffiltern samt Cokin-Filterhalter mit Streulichtblende im Beutel. Alle Filter eignen sich zur Beeinflussung von Kontrast und Schärfeeindruck im Bild und da schließt sich für mich der Kreis. Das Objektiv ist so umgebaut worden, dass die Abbildungsfehler durch abblenden nicht reduziert werden können und die Schärfentiefe möglichst gering bleibt. Als Anwendungsbereich bleibt in dieser Konstellation nur die Portraitfotografie übrig. Ob das Dreamagon von Jürgen Seibold, ein Rodenstock Imagon oder das Sima (nicht Sigma) LF-Objektiv aus den 1980er-Jahren nachgeahmt werden soll, bleibt offen. Ebenso ob dieses Objektiv regelmäßig genutzt wurde und ob mehr als die vorhandenen Filter zum Einsatz gekommen sind. Der Objektivanschluß M42x1 kann ganz leicht an diverse Systemkameras mit Vollformat- oder APS-C-Sensoren adaptiert werden. Ich gehe davon aus, dass das Objektiv an einer spiegellosen Digitalkamera mit APS-C-Sensor eingesetzt wurde, obwohl kein Anschlußadapter für eine solche dabei gewesen ist. Das Eigenbau-Pentacon-SF an einer M42-Spiegelreflexkamera oder Vollformat-Digitalkamera eingesetzt, wäre für Portraits nicht optimal.

Das alles war für mich Grund genug um mit dem Objektiv an meiner Fujifilm X-T1 ein paar Tests zu machen. Durch die Brennweitenverlängerung wegen dem kleineren Bildformat der X-T1 bekommt das Objektiv eine 75mm-Portraitbrennweite mit einer äquivalenten Blendenöffnung von 1:2.8. Mit der Scharfeinstellhilfe der Fujifilm X-T1 ist das Fokussieren kein Problem, auch dank des geschmeidigen Schärferings am Objektiv geht das bequem und vor allem sehr genau. Man kann die Schärfe genau dort hinlegen, wo sie sein soll. Mein Pentacon SF ist typisch für einen lichtstarken Gaußtyp wegen der fehlenden Blende kein Meister der „messerscharfen Schärfe", kein Meister des optimalen Kontrastes, es ist nicht über das gesamte Bildfeld gleichmäßig scharf sondern am Rand weicher als in der Bildmitte und das Bokeh ist auch nicht der große Bringer. Abblenden geht nicht und alle Offenblendenfehler sind treue Begleiter. Das ist für allgemeine Fotografie suboptimal, für Portraits aber durchaus von Vorteil. Da soll nicht jede Pore und Hautunreinheit ultrascharf abgebildet werden, denn das braucht man in diesem Fall nicht. Ein Beispiel aus der Portraitfotografie mit einem APS-C-Aufnahmesensor und der damit größeren Schärfentiefe als beim Vollformat ergibt für die Berechnungen eine äquivalente Blende von 1:2,8 und einen Zerstreuungskreis von 0,02mm: Bei einer eingestellten Entfernung von 200cm liegt der Nahpunkt bei 192cm und der Fernpunkt bei 209cm. Achtzehn Zentimeter Schärfentiefe sollten für Portraitfotografie nahezu optimal sein, wer eine geringere Schärfentiefe braucht, muß zum Mittel- oder Großformat greifen.

Das ewige Thema Bokeh spreche ich nur ganz kurz an. Jeder hat da so seine eigenen Vorstellungen und die soll er auch haben. Als ich kommerzielle Fotografie in den 1980ern (also der chemisch-analogen Foto-Steinzeit) beigebracht bekommen habe, war der Begriff Bokeh noch nicht erfunden. Damals galt es sogenannte "Freisteller" mit möglichst unscharfem Hintergrund abzubilden, damit sich das Hauptmotiv eben schön vom Hintergrund abhebt. Irgendwelche Lichtkringel wurden nur beachtet, wenn sie gestört haben. Ich halte das auch heute noch so und bin der Meinung, dass das Bokeh sehr oft überbewertet wird. Ein Pentacon 1.8/50mm ist kein Bokeh-Monster und wird das auch nicht durch das Weglassen der Blende.
Kommen wir zu den Filtern, welche vom „Erfinder" des Pentacon SF möglicherweise als Bestandteil seines Konzepts angesehen worden sind. Bei den zwei Tiffen Black Pro Mist handelt es sich um die Ausführung mit ¼ und ½ Stärke. Mittels ganz feiner schwarzer Partikel, welche zwischen zwei Planglasscheiben eingelassen sind, wird eine leichte Nebelwirkung erzielt ohne die dunklen Bildpartien aufzuhellen. Die Wirkung kann durch Größe und Quantität der Partikel eingestellt werden. Der Black Pro Mist 1/2 ist demnach stärker und dichter als zum Beispiel ein Pro Mist 1/4 oder 1/8. Der mit dieser Filtertype zu erzielende Effekt wurde bereits im Schwarzweiß-Film-Zeitalter geschätzt, kann aber auch bei Farbaufnahmen eingesetzt werden. Er ist für Portraits sehr gut geeignet, kann aber auch bis zu einem gewissen Grad bei allgemeiner Fotografie verwendet werden, um „Atmosphäre" zu erzeugen. Schärfe und Kontrast werden systembedingt abgesenkt, Lichtquellen überstrahlen und bei Farbfilmen reduziert sich die Sättigung geringfügig. Farben wirken dadurch etwas pastelliger, wenn man das so sagen kann. Bei Schwarzweiß-Film kann man den Bildeindruck in Richtung des klassischen Schwarzweiß-Kinofilms mit einem klassischen Kameraobjektiv trimmen. In etwa Eastman Double-X in Kombination mit einem unvergüteten Triplet am Ende der 1950er-Jahre, wie man das noch teilweise aus alten Filmen kennt. Der Black Pro-Mist ist per se kein Weichzeichner und das macht ihn universeller als zum Beispiel einen Cross Screen.

Eher in die Kategorie Weichzeichnerfilter würde ich den White Mist Filter einordnen. Auch ihn gibt es in verschiedenen Abstufungen. Die Stärke ¼ wirkt nur sehr moderat auf das Bild. Der White Mist gibt helle Bildbereiche weniger differenziert wieder, mindert den Kontrast und mildert harte Schatten. Durch die Überstrahlung heller Bildpartien erscheint das Bild leicht weichgezeichnet, denn durch die weißen Partikel geht Auflösung verloren. Solche Effekte sind bei Portraits manchmal gewünscht und für mich damit der Hauptverwendungszweck so eines Filters. Der White Mist Filter ist mit dem Cross Screen Filter verwandt, dort ist allerdings statt weißer Partikel ein feines Gittermuster zwischen den Planglasscheiben eingearbeitet. Das erzeugt zusätzlich Lichtsterne bei punktförmigen Lichtquellen. Alle Varianten von Diffusionsfiltern und der Cross Screen sind keine neuen Erfindungen, sie stammen aus der klassischen Hollywood-Ära von etwa Mitte der 1920er- bis Ende der 1940er-Jahre und wurden überwiegend für Glamour Portraits eingesetzt. Nach einem kurzen Comeback als Effektfilter bei Film und Fernsehen in den 1970ern ist es vor allem um den Cross Screen still geworden.

Die Zusammenstellung der Cokin-Kunststoffilter deutet für mich auf eine gewisse Experimentierfreude des Vorbesitzers hin. Pastellfilter, Nebelfilter, Verlauffilter und verschiedene Farbilter sind dabei, ebenso ein 8-fach Cross Screen. Das ist alles, was man für die Nachahmung des in den 1970ern und frühen 1980ern so beliebten "romantischen Look" brauchen könnte. Der als Pastel 2 bezeichnete Filter ist eine sehr verstärkte Variation eines White Mist Filters, weil er einen starken Schimmer über das gesamte Bild legt, die Lichter regelrecht zu scheinen beginnen und die Szene in einen Nebel taucht. Mir ist der Effekt zu stark und der Pastel 2 wird sicher nicht mein Lieblingsfilter. Die Cokin-Filter sind die geniale Erfindung des französischen Fotografen Jean Coquin und bestehen aus einem Duroplast-Kunststoff mit der Bezeichnung CR-39 (Columbia Resin No. 39). Daher sind sie leicht und haben optische Eigenschaften wie Brillengläser. Leider ist ihre Oberfläche viel weicher als Glas und wegen einer fehlenden Vergütung empfindlich auf Kratzer und nicht mehr entfernbare Fingerabdrücke. Für den gelegentlichen Einsatz wie in diesem Fall sind sie aber sehr gut brauchbar.

Mein Resümee zum Pentacon SF: Bei der einen oder anderen Portrait-Sitzung macht so ein Objektiv Spaß. Wird es andauernd verwendet, nutzen sich die Effekte ab. Das gilt für alle SoftFokus-Objektive, nicht nur für diesen Eigenbau. Da liegt auch der Unterschied zu einem Defokus-Nikkor. Das kann als „normales" Objektiv oder mit der Bokeh-Optimierung im Dauereinsatz verwendet werden, denn ein schöner unscharfer Hintergrund nutzt sich nicht ab. Das Pentacon SF 50mm/1.8 samt Zubehör werde ich vorerst behalten und abwarten, was mir zu diesem Objektiv einfällt.
Fazit - dieses Mal als Fragen und Antworten:

Ist das Pentacon SF ein Must-Have-Objektiv? Für mich eher nicht. Mir sind die Anwendungsbereiche zu begrenzt. Sehr oft angewendet werden die erzielbaren Effekte langweilig.

Ist das Pentacon SF ein Nice-to-have-Objektiv?
Diese Frage kann ich mit einem Ja beantworten, denn in meinem Fall hat es nichts gekostet und es lädt zu Experimenten ein. Selbst wenn ich es nur einmal in fünf Jahren verwende, geht das völlig in Ordnung.

Ist das Pentacon SF ein Defokus-Objektiv für Arme?
Ein Pentacon auto 1.8/50mm MC kostet in gutem Zustand irgendwo zwischen 30 und 40 Euro. Verglichen mit einem gebrauchten AF-DC Nikkor 105mm oder 135mm ist das ein Witz. Nur sind die Möglichkeiten beschränkter und die Ergebnisse nicht gleich einem AF-DC-Nikkor. Sagen wir, das Pentacon SF ist ein SoftFokus-Objektiv für die ganz Sparsamen.

Ist das Pentacon SF ein DIY-Projekt?
Eher nicht, denn das Entfernen der Blendenmechanik ist nicht obligatorisch. Man kann jedes x-beliebige 50mm-Pentacon in so ein Objektiv verwandeln, indem man die Blende ganz öffnet. Die Umbauten an meiner Optik wurden wahrscheinlich aus einer Notwendigkeit heraus vorgenommen.

Sind White Mist-, Black Mist- und die Cokin-Filter ein genuiner Bestandteil so eines Objektivs? Wenn man den David-Hamilton-1970er-Supersoft-Look mag sind diese Filter in Verbindung mit diesem Objektiv unbedingt notwendig.

Pentacon SF 1,8/50mm ohne Filter: ein Ergebnis, wie man sich das von einem Doppel-Gauß-Typ erwartet
Pentacon SF 1,8/50mm mit Black Mist 1/4: etwas weniger Sättigung und Kontrast, weniger Details
Pentacon SF 1,8/50mm mit Black Mist 1/2: deutlich sichtbare Überstrahlung von hellen Bildbereichen ausgehend
Pentacon SF 1,8/50mm mit Black Mist 3/4: massive Überstrahlung von hellen Bildbereichen ausgehend
Pentacon SF 1,8/50mm mit Cokin Pastel 2: massive Überstrahlung, starke Entsättigung und Kontrastreduktion
Einige Bildbeispiele zum Pentacon SF 1,8/50mm in Verbindung mit Black Mist-, White Mist- und einem Cokin Pastel 2-Filter:
Pentacon SF 1,8/50mm mit White Mist 1/4: wirkt ähnlich dem Black Mist 1/4 nur etwas luftiger