Praktica MTL5B
Eine Website, welche sich mit Kameras beschäftigt und keinen Beitrag über eine Praktica L-Serie-Spiegelreflexkamera enthält, wird niemals komplett sein. 43 Modelle und fast 4,9 Millionen Praktica-L-Kameras wurden vom Hersteller Pentacon im Zeitraum 1969 bis 1989 produziert. An so einer Kameraserie darf man nicht einfach vorbeigehen. Eine dieser vielen L-Kameras wurde mir überlassen, ich habe sie fotografierfähig aufbereitet und damit einen Film belichtet, damit ich eine Informationslücke schliessen kann.

Die Praktica MTL5B wurde zwischen 1985 und 1989 nicht ganz 570.000 Mal produziert. Sie ist also keine Rarität und wird relativ oft angeboten. Die Preise für ein gut erhaltenes, voll funktionsfähiges Exemplar mit dem Pentacon auto 50mm/1.8 starten bei 50 Euro, Tendenz steigend. Die Ahnenreihe der Praktica MTL5B beginnt 1969 mit dem Modell LTL, welches 1975 zur LTL3 wird, die dann ihrerseits im Jahr 1978 zur MTL3 mutiert ist. Das zeitlose Design, die Konstruktion und die Ausstattung haben sich dabei über vier Generationen kaum geändert. Bei der Praktica MTL5B als letztem Modell hat man die Blitzsynchronbuchse weggelassen und den Belichtungsmesser auf eine moderne Stromversorgung umgestellt. Der Objektivanschluss ist wie bei allen L-Serie-Kameras das weithin bekannte Schraubgewinde M42x1. Damit steht eine reichhaltige Auswahl vom Superweitwinkel- bis zum langbrennweitigen Teleobjektiv zur Auswahl. Dabei ist man nicht nur auf den Hersteller Pentacon/Praktica beschränkt, es ist auch möglich M42-Objektive anderer Hersteller zu verwenden. Damit kann man alte Objektive mit jeder erdenklichen Brennweite und in den verschiedensten Qualitäten an der Praktica MTL5B anschrauben.

Als ein Mittelklassemodell der L-Serie besitzt die MTL5B das spezifische kantige L-Gehäuse, den typischen Stahllamellenverschluss, eine TTL-Belichtungsmessung bei Arbeitsblende, ein Zeigermesswerk für den Belichtungsabgleich und ein Vorlaufwerk für den Selbstauslöser. Gegenüber den Vorgängermodellen MTL3 beziehungsweise LTL wurde die Einstellscheibe verbessert. Sie ist etwas heller und der Schnittbildindikator wurde zu einem Tripelmesskeil erweitert, der von einem Mikroprismen- und einem Mattring eingerahmt ist. Im Zuge der Modernisierng hat man auch den Belichtungsmesser mit einer leicht verfügbaren Batterie versehen. Die Kamera begnügt sich mit einer einzigen SR44-Knopfzelle, welche den Belichtungsmesser ganze zwei Jahre mit Energie versorgen kann. Der Buchstabe B in der Typenbezeichnung weist auf die Batterie hin, ebenso der kleine Schraubdeckel auf der Unterseite der Kamera, der den früheren großen Klappdeckel ersetzt (Bild unten).
Die Praktica L-Serie galt spätestens Ende der 1980er-Jahre als technisch veraltet und Pentacon hat mit der lange Zeit parallel hergestellten Praktica-B-Kamerareihe bereits ab 1979 das näher rückende Aus für die Produktion angekündigt. Vergleicht man die Praktica MTL5B mit einer Nikon F301 (1985 bis 1990) oder Praktica B200/BC1/BCX (1979-1988) ist die MTL5B tatsächlich nur mehr der letzte altmodische Aufguss einer in den siebziger Jahren sehr modernen Kameraserie. Aber irgendwie ist das ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Zum Beispiel ist die Nikon FM2 (1982 bis 2001) eine sehr ähnliche Konzeption. Vollständig mechanisch ohne jede Automatik, mit einer Nachführmessung entspricht die Bedienung exakt der Pentacon MTL5B. Allerdings ist die Nikon FM2 qualitativ eine andere Liga, die Belichtungszeiten reichen bis zu 1/4000 Sekunde, sie beherrscht Offenblendenmessung, misst mit nahezu unverrottbaren Silizium-Fotodioden und das Zeigermesswerk wurde durch eine Anzeige mit Leuchtdioden ersetzt. Wer sich damals wie heute keine Nikon FM2 leisten will, kann für kleines Geld eine Praktica MTL5B kaufen. Die ist etwas weniger robust und etwas weniger bequem, man macht aber genauso hervorragende Bilder, wenn man als Fotograf etwas kann.

Eine Praktica MTL5B hat also ihre Qualitäten und ist auch haptisch durchaus ein Vergnügen. Die Kamerastruktur ist aus Metall, die Deckkappe sowie die Bodenplatte bestehen aus metallisiertem Kunststoff, die Belederung ist einfaches schwarzes Synthetikmaterial. Das Kameragehäuse greift sich gut an, es liegt trotz oder wegen seiner kantigen Form gut in der Hand und ist inklusive dem Objektiv mit achthundert Gramm Gewicht nicht zu schwer. Das Belichtungszeitenrad dreht nicht zu leicht oder zu schwer und hat gut fühlbare Rastungen. Öffnet man die Rückwand sieht man eine schön gefertigte Transportmechanik und gefräste Filmführungen, wie man sich das von einer guten Kamera erwartet. Das Filmeinlegen klappt dank der PL-Einfädelautomatik schnell, sicher und filmsparend. PL steht für Pentacon-Loading und war ab dem Jahr 1967 Ausstattungsdetail jeder Praktica-Spiegelreflex. Der Stahllamellen-Schlitzverschluss macht einen sehr soliden Eindruck und bei der vorliegenden Kamera läuft der Verschluss in allen Zeiten präzise und absolut einwandfrei (Bild links). Die CdS-Zelle des Belichtungsmessers kommt ihrer Arbeit nicht ganz so genau nach und zeigt bei großer Helligkeit um eine halbe Blende zu viel an. Bei wenig Licht wird sie sehr träge und ich habe die Genauigkeit der Messung dann nicht weiter untersucht. Für Aufnahmen bei Tageslicht reicht sie noch, man korrigiert die Filmempfindlichkeit um die halbe Blendenstufe und liegt dann wieder im Bereich des Belichtungsspielraumes für Negativfilm. Vermutlich ist die Messzelle müde geworden. Bei CdS-Messzellen ist das bei einem Alter von mehr als drei Jahrzehnten nicht ungewöhnlich.

Eine Praktica MTL5B wurde immer mit dem Pentacon auto 1.8/50, dem DDR-Standard-Objektiv zu fast allen 35mm-Spiegelreflexkameras, geliefert. Das Objektiv wurde in Millionen Stückzahlen und, wenn ich richtig informiert bin, in einer Exakta-, vier Pentacon-M42- und einer Prakticar-Variante gebaut. Die älteste Version besteht aus viel Metall und kommt im Zebra-Look daher. Danach folgte eine Variante ohne Zebra mit zwei Chromzierringen an der Objektivfront, die in der dritten Ausgabe dann auf einen einzigen Chromring reduziert wurde. Die vierte Variante und die Prakticar-Modelle für die Praktica-B-Serie waren dann aus viel Kunststoff, komplett schwarz ohne jedes Zebra und ohne jede Chromverzierung. Die Gläser waren ab der vierten Version dem technischen Stand der Zeit entsprechend mehrschichtvergütet. Konstruktivisch leitet sich das Pentacon 1.8/50mm vom Meyer Görlitz Oreston aus dem Jahr 1961 beziehungsweise vom Meyer Görlitz Domiron ab. Es handelt sich um einen Planar-Doppel-Gauss-Typ mit einem optischen System bestehend aus sechs Linsen in vier Gruppen. Das 1.8/50mm hat eine Besonderheit in Form einer Naheinstellgrenze von 33cm (1:4,8), welche schon fast als Makrobereich durchgehen kann. Der technische Aufbau wurde ab dem Meyer Domiron und dem Oreston bis zur Praktica-PB-Variante nur unwesentlich verändert. Dagegen ist nichts zu sagen, denn die optischen Leistungen sind grundsätzlich in Ordnung. Wer Details dazu wissen möchte, findet sie auf der Seite zur Praktica B-Serie.

Fazit: Eine Praktica aus der L-Reihe war in meinen jungen Jahren der preiswerte Einstieg in die Welt der Systemkameras. Eine zuverlässige Konstruktion und ausgezeichnete optische Leistung konnte man für relativ wenig Geld bekommen. Dafür musste man mit dem „Made in German Democratic Republic" leben und auf den Glamour-Faktor samt einer üppigen Ausstattung verzichten. Ein System für Pragmatiker, die Leistung über Ausstattung und Status gestellt haben. Das kann man heute noch genau so sehen. Die Praktica MTL5B und fast alle anderen Kameras der L-Serie sind, wie auch die Nikon FM2, ein Fall für alle, die den Umgang mit Blende, Zeit und Filmempfindlichkeit entweder schon beherrschen oder sich damit beschäftigen wollen.

Pro:                                                                                                                                Kontra:

- absolut puristische Kamera ohne jeden Firlefanz                                                                - wenig glamourös

- robust und völlig mechanisch                                                                                            - TTL-Arbeitsblendenmessung mühsam

- braucht eine einzige SR44-Batterie für den Belichtungsmesser                                            - CdS-Belichtungsmesser wird nach Jahrzehnten ungenau

- wird gebraucht häufig und günstig angeboten

Pentacon/Praktica hat sehr lange, neben dem hauseigenen PB-Bajonett, am M42-Objektiv-gewinde festgehalten. Das macht sich bei der MTL5B bezahlt, weil man eine riesige Auswahl an Objektiven verschiedenster Brennweiten und Hersteller hat. Das Super-Takumar 55mm von der EdixaMAT passt zum Beispiel perfekt zur MTL5B.
Besonders viele Bedienelemente gibt es nicht. Man braucht keine Bedienungsanleitung und kennt sich sofort aus. Heute ein wenig anachronistisch ist die nur bis zu ISO 1600 reichende Einstellung der Filmempfindlichkeit.
Minimalistischer Sucher:
 
1 - Signal für nicht gespannten Verschluss
2 - Mattscheibenbild
3 - Mattring rund um das Mirkoprismenfeld
4 - Mikroprismenfeld
5 - Tripelmesskeil (dreiteiliger Schnittbildindikator)
6 - Anzeige Belichtungsmesser
Die MTL5B ist eines von 43 Modellen der Praktica L-Reihe im schnörkellosen 70er-Design...
... mit minimaler Ausstattung und M42-Objektivgewinde.