Der Ort Wildalpen liegt im Bezirk Liezen in der Steiermark. Er ist mit einer Fläche von etwas mehr als 200km² sehr groß und mit etwa 450 Einwohnern sehr gering besiedelt. Rechnet man nach, kommt man auf 2,2 Einwohner pro Quadratkilometer. Wer Ruhe sucht, wird hier fündig. Ebenso wer unberührte Natur schätzt, denn das Salzatal und die Salza sind, bis auf geringe Ausnahmen naturbelassen. Im Sommer sorgen Kajak und Rafting für ein klein wenig Trubel, ab Oktober hat man das Wildalpener Salzatal weitgehend für sich.

Die Wildalpen Minigalerie entstand Anfang November 2021 auf Kodak Portra 400 mit meiner Rolleicord Vb und wurde mit einem Noritsu QSS-Scanner digitalisiert. Ich wollte das Xenar 75mm der Rolleicord Vb mit Farbfilm bei extremen Lichtverhältnissen testen, weil man allenthalben hört, es wäre für Farbaufnahmen wenig geeignet. Dem widersprechen die Ergebnisse, denn wie ich meine sind die Resultate für einen einschichtvergüteten Vierlinser sehr gut ausgefallen.

Die Richtung aus der das Objekt beleuchtet wird, bestimmt das Kontrastverhalten. Im Bild oben bei reinem Seitenlicht hat das Xenar-Objektiv mehr Mühe mit dem Kontrast. Beleuchtung von schräg hinten verbessert die Wiedergabe kontrastreicher Motive bedeutend. Mit einem guten Film ist sowohl in den Lichtern als auch den Schatten eine gute Zeichnung erreichbar.

"Licht im Rücken und das Bild wird glücken". Das gilt auch für das Objektiv der Rolleicord Vb. Wie man sieht, gibt es keine Klagen. Eine schöne Farbabstimmung, ausreichend Details und bei Blende 8 1/2 weder Vignettierung, noch einsetzende Beugungsunschärfe. Das Xenar erreicht rund um Blende 8 seine Bestform, vor allem mit Licht im Rücken.

Das Schneider Xenar ist mit 75mm Brennweite ein sogenanntes Normalobjektiv. Der Bildwinkel bewegt sich um die 55°, was bedeutet, dass man damit keine plastischen Freisteller schafft. Dafür ist die Brennweite einfach nicht lang genug. Im Unterschied zum Weitwinkelobjektiv gibt es auch bei kleinen Blenden wie 11 oder 16 keine Schärfe von Vordergrund bis zum Hintergrund, denn dafür ist die Brennweite nicht kurz genug. Dieses Bild ist ein gutes Beispiel für die Limitationen des betagten Schneider Xenar. Bei Blende 11 beginnt leichte Diffraktion und die Schärfenleistung lässt generell nach. Bei geringem Abstand der Kamera zum Vordergrund wird die Schärfentiefe nicht ausreichen auch den Hintergrund scharf abzubilden.

Das Schneider Kreuznach Xenar 75mm/3.5 basiert auf dem Tessar-Patent aus dem Jahr 1902. Die Konstruktion ist also mehr als 120 Jahre alt und ohne großartige Möglichkeiten zur Modellpflege. Einzig eine Vergütung konnte hinzugefügt werden. Damit wird das Xenar zwar nicht zum perfekten Objektiv bei Gegenlicht, für die eine oder andere Aufnahme kann man damit irgendwie leben.

Der Sonnenstern ist furchtbar ausgefranst und die unmittelbar daneben und dazwischen liegenden Bildbereiche verlieren sehr viel an Kontrast. Was positiv auffällt ist die Schärfe, die auch in den kontrastschwachen Zonen erkennbar ist. Zu seiner Zeit war das Xenar ein wirklich gutes Objektiv, aber das ist lange her und das sollte man bei Verwendung einer Rolleicord oder einer ähnlichen Kamera immer berücksichtigen. Zum Vergleich gibt es hier eine ähnliche Aufnahmesituation mit dem aus den 1980ern stammenden Nikkor 28mm/3.5 Ai:
https://www.troeszter.net/Nikkor28Test.html              (öffnet in neuem Fenster)

Abschließend noch ein durchwegs erfreulicher Blick auf die Qualitäten des Schneider Xenar 75mm/3.5. Fotografiert man von einem schattigen Standort mit Seitenlicht, kann man durchwegs sehr gute Leistung erwarten. Das Kontrastverhalten ist in Ordnung, die Farbwiedergabe sitzt und auch die Auflösung entspricht den Vorstellungen, welche man von einem Mittelformatobjektiv hat. Stromkabel und feine Strukturen sind sehr gut aufgelöst.

Einen vergnüglichen Ausflug und eine Rolle Kodak Portra 400 später kann ich sagen, dass man seine Rolleicord Vb auch bei herausfordernden Lichtverhältnissen und mit Farbfilm gut verwenden kann. Es ist wie mit jeder Kamera und mit jedem Objektiv so, dass man sehr gute Resultate nur mit entsprechenden Kenntnissen erzielen wird. Diese Erfahrungswerte kann man nur durch das eigene Ausprobieren erhalten. Man braucht unbedingt eine Streulichtblende, denn sie gehört meiner Meinung nach zum optischen System. Mein kurzer Test widerlegt die Aussagen eine Rolleicord wäre nicht mit Farbfilm zu gebrauchen. Zumindest mit dem vergüteten Schneider Xenar stimmen sie nicht.


PS: Leave no traces! Rast- und Campingplätze verlässt man sauberer als man sie angetroffen hat. Feldwege und Forststraßen befährt man nur wenn die Zufahrt gestattet ist. Oder man hat, so wie in diesem Fall, eine Genehmigung. Das gilt nicht nur in Wildalpen sondern überall.